Von El Alto nach Saarbrücken.

 

Marcos im Café Exodus in Saarbrücken im Jahr 2018
Mein Name ist Marcos Casas Gutiérrez, ich bin 23 Jahre alt. Ich bin schon seit 5 Monaten zurück in meinem geliebten Bolivien, nachdem ich ein Jahr als Freiwilliger in Deutschland verbracht habe. Bis heute die tollste Erfahrung meines Lebens. Das Projekt, an dem ich gearbeitet habe, war das Café Exodus in Saarbrücken. Ein Haus der offenen Tür für junge Menschen, in dem ich schöne Momente verbracht und so viele Freunde gefunden habe, die ich vermisse und an die ich glaube, dass ich sie in Zukunft wieder sehen werde.

                                                                                                                                                                                    


Sind viele neue Dinge, die die ich gelernt habe: für eine lange Zeit weg von zu Hause zu sein, weit weg von Familie und Freunden zu sein, allein zu leben, eine neue Sprache und Kultur zu lernen, die Brüderlichkeit zwischen Deutschland und Bolivien zu spüren, einen neuen Lebensrhythmus aufzufangen. Es war keine leichte Entscheidung, von meinen Lieben und einem Leben, mit dem ich mich in Bolivien wohl und glücklich fühlte, wegzukommen, trotzdem beschloss ich, mich auf den Weg zu machen und den Weg des Freiwilligen zu gehen.


Im ersten Monat hatte ich eine tolle Zeit mit meiner Gastfamilie in der Kleinstadt Nittel an der Mosel. Mit meinem Coach lernte ich viel über das Leben in Deutschland: Fahrkarten kaufen, in Züge steigen und mich in der Stadt nicht verlaufen. Jeden Tag musste ich mit dem Zug in die Stadt Trier fahren. Dort habe ich mit den anderen Freiwilligen den Deutschkurs und die Workshops besucht. Mit ihnen sind wir so etwas wie eine Familie von Geschwistern aus verschiedenen Kontinenten geworden. Wir waren in der gleichen Situation und das brachte uns näher an einander.

In Saarbrücken musste ich in einer Wohngemeinschaft (W.G.) leben, meine ehrenamtliche Arbeit im Café Exodus leisten und jeden Tag daran arbeiten, die Sprachbarriere zu überwinden. Ich bekam viel Hilfe und die Menschen hatten immer Geduld mit mir, sowohl im Projekt als auch in dem Haus, in dem ich wohnte. Es war kompliziert ja, aber mit der Zeit wurde es besser, und ich fühlte mich sehr wohl im Café und bei den Aktivitäten, die sie hatten. Es gab immer etwas zu tun.

Ich habe wirklich viele Freunde und vieler Nationalitäten gefunden, sogar Latinos. Der kulturelle Reichtum, den ich in Deutschland finden konnte, ist vielfältig. Mir wurde klar, dass die Deutschen selbst nicht kalt sind, wie sie man denkt; sondern Menschen, mit denen man Freundschaft schließen kann und voneinander lernen kann. Ich habe Deutschland geliebt, ich
habe Europa geliebt. Es ist ein moderner und organisierter Ort, dessen größten Reichtum seine Menschen sind.

Und dann kam die Zeit, nach Hause zurückzukehren. Nach 12 schnellen und intensiven Monaten. Das Gefühl ist nicht leicht zu beschreiben: ich war glücklich, weil es nicht lange dauerte, um meine Lieben wiederzusehen, aber traurig, weil ich Freunde in Deutschland
und ein Lebensrhythmus, an den ich mich bereits gewöhnt hatte, verlassen würde. Ich fühlte, dass mir noch Dinge fehlten, die ich tun musste, aber die Zeit war bereits abgelaufen.

Jetzt bin ich zu Hause bei meiner Familie in der Stadt El Alto auf 4020 m.ü.M., ich habe noch ein paar Jahren Zeit, um mein Universitätsstudium als Wirtschaftsprüfer abzuschließen, sowie bei meiner Pfarrei mich weiter zu engagieren, weil die mir so viel gegeben hat.

In Bolivien, wie in der ganzen Welt, sind wir von der Pandemie betroffen. Diese Erfahrung
sagt uns, dass wir auf uns selbst aufpassen müssen und zwar sehr viel. Das Gesundheitssystem in Bolivien läuft nicht ganz gut und dazu kommt noch eine politische Krise, die uns in Zweifel und Angst versetzt. Heute sind viele Menschen gezwungen, auf die Straße zu gehen und sich in informeller Arbeit zu betätigen, um Lebensmittel kaufen zu können. Unter ihnen auch ältere Menschen und Kinder, die ins Risiko eingehen, um etwas Geld für Essen zu verdienen. Im Rest des Landes ist die Realität nicht viel anders. Wenn die Pandemie vorbei ist, werden wir uns wieder treffen und uns umarmen können. Wir glauben daran, dass in den Schwierigkeiten auch das Gute in den Menschen zum Vorschein kommt und man sieht Solidarität auf den Straßen für Menschen in Not.

Als ich nach Hause zurückkehrte, wurde mir klar, dass ich einige Dinge nicht mehr auf dieselbe Weise sehe. Es gibt auch neue Dinge, die ich tun möchte und einige andere, die ich jetzt vielleicht anders mache. Die Pandemie und die Quarantäne waren ein Eimer mit kaltem Wasser, der immer noch eiskalt ist. Vielleicht war diese Zeit für mich notwendig, um einige Dinge in meinem Leben zu ordnen. Ich merke es gibt viel zu tun in der Gegenwart. Auch wenn alles zur Normalität kommt, sollen wir wieder vorbereitet sein, umzublättern. Leben geht weiter so wieso, und ist da, um es zu leben und es zu genießen. Wenn ich weiterhin gesund bleibe, werde ich mich freuen, wieder so in so eine Abenteuer einzusteigen, wie es beim Freiwilligendienst war.

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Originaltext von Marcos Casas, 2020.